Hashomer Hatzair Deutschland
„Liebe Antifaschist*innen, liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,
heute stehen wir hier, 80 Jahre nach dem 8. Mai 1945 – einem Tag, den wir als Tag der Befreiung begehen. Und doch: Für viele von uns war dieser Tag nie ganz selbstverständlich ein Tag der Befreiung.
Wir sind eine migrantisch geprägte jüdische Jugendorganisation. Viele unserer Familien kamen nach Deutschland – nachdem der Holocaust/die Schoah vorbei war. Viele von uns sind hier geboren, aber tragen die Spuren des Exils, der Vertreibung, des Neuanfangs. Befreiung ist für uns keine persönliche Erinnerung – sondern eine Verantwortung.
Wir sind Hashomer Hatzair – eine der ältesten jüdischen Jugendbewegungen der Welt. 1913 gegründet, hätten wir heute in Deutschland 94 Jahre kontinuierlicher Arbeit feiern können. Doch das wurde uns genommen. Die Nazis haben unsere Strukturen zerstört, unsere Mitglieder verfolgt, ermordet und ins Exil gezwungen. Hashomer Hatzair war vor 1938 aktiv in mehreren Städten Deutschlands – eine lebendige Bewegung, ein Ort für junge Jüdinnen und Juden, die lernen und diskutieren wollten, sich träumen trauten.
Heute – Jahrzehnte später – wächst unsere Bewegung wieder. In Berlin, in Deutschland. Wir feiern dreizehn Jahre Wiederkehr. Aber das reicht uns nicht. Unser Ziel ist nicht nur, wieder da zu sein. Wir wollen sichtbar sein, hörbar, wirksam. Wir wollen uns einbringen, an gesellschaftlichen Diskursen beteiligt sein und unsere Arbeit weiterentwickeln.
Viele sprechen davon, dass die Zeitzeug*innen-Generation stirbt. Das ist wahr. Aber wir stehen nicht hier, um sie zu ersetzen. Wir sind eine Jugendbewegung, die nicht nur in die Vergangenheit, sondern vor allem nach Vorne blickt– und das heißt: Wir handeln. Wir lernen. Wir träumen.
Unsere Mitglieder damals waren Teil des jüdischen Widerstands – und dieser Widerstand war vielfältig. Er war nicht nur Protest und Flucht, sondern auch: Bildung. Begegnung. Die bewusste Entscheidung, sich nicht entmenschlichen zu lassen. Sich Räume zu schaffen, in denen weitergedacht werden durfte. Weitergeträumt.
Denn auch im Angesicht des Grauens fragten sie sich: Wo wollen wir leben? Wie kann eine gerechtere Gesellschaft aussehen? Sie träumten von einer Welt, die für alle besser sein sollte. Ihr Widerstand war nicht nur gegen etwas – er war für etwas.
Und auch heute sehen wir, dass unsere Arbeit bitter nötig ist. Wieder erleben wir, dass Hass laut wird. Wieder stehen wir vor einem Rechtsruck, der jüdisches Leben und das anderer nicht in die Norm passenden Menschengruppen bedroht. Wieder erleben wir, dass unsere Räume in Frage gestellt werden – durch Boykotte, durch Hetze, durch Angst.
Gerade heute wollen wir Hoffnung statt Verzweiflung vermitteln. Man könnte auf die Bühne gehen und traurig sein über den Zustand der Welt, des linken politischen Spektrums, aber unsere Botschaft lautet: Verzweifelt nicht. Unsere Bewegung hat im Laufe der Zeit viel gelitten, und wir wissen, dass die Antwort auf die Politik der Angst darin besteht, Hoffnung zu verbreiten, sich zu vereinen – und durch Bildung und Reflexion gemeinsam besser zu werden.
Wir bleiben. Wir bauen weiter. Unser „Ken“, unser Nest, ist Zufluchtsort und Lernraum. Es ist Ort des Widerspruchs gegen Unterdrückung – und Ort der Hoffnung. Auch wenn Hoffnung manchmal schwerfällt.
Heute gedenken wir. Und gleichzeitig sagen wir: Erinnerung allein reicht nicht. Sie muss zu Verantwortung werden. Zum Handeln. Zum Aufstehen gegen jede Form von Faschismus, Antisemitismus, Rassismus – hier und jetzt.
Und wir sagen auch: Befreiung ist kein vergangenes Ereignis. Sie ist ein andauernder Prozess. Ein täglicher Kampf. In jeder Schule, in jedem Jugendzentrum, auf jeder Straße.
Wir sind stolz auf unsere Geschichte. Wir sind stolz auf den Widerstand unserer Mitglieder. Und wir sind entschlossen, ihren Traum von einer gerechteren Welt weiterzutragen.
In diesem Sinne:
Lasst uns erinnern – und niemals aufhören, zu träumen.
Lasst uns erinnern – und niemals aufhören, zu kämpfen.
Chazak Veematz – seid stark und mutig.“
Erstellt am 03/07/2025 von Nitzan M
Gedenkrede zum 80. Jahrestag der Befreiung
Hashomer Hatzair Deutschland
„Liebe Antifaschist*innen, liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,
heute stehen wir hier, 80 Jahre nach dem 8. Mai 1945 – einem Tag, den wir als Tag der Befreiung begehen. Und doch: Für viele von uns war dieser Tag nie ganz selbstverständlich ein Tag der Befreiung.
Wir sind eine migrantisch geprägte jüdische Jugendorganisation. Viele unserer Familien kamen nach Deutschland – nachdem der Holocaust/die Schoah vorbei war. Viele von uns sind hier geboren, aber tragen die Spuren des Exils, der Vertreibung, des Neuanfangs. Befreiung ist für uns keine persönliche Erinnerung – sondern eine Verantwortung.
Wir sind Hashomer Hatzair – eine der ältesten jüdischen Jugendbewegungen der Welt. 1913 gegründet, hätten wir heute in Deutschland 94 Jahre kontinuierlicher Arbeit feiern können. Doch das wurde uns genommen. Die Nazis haben unsere Strukturen zerstört, unsere Mitglieder verfolgt, ermordet und ins Exil gezwungen. Hashomer Hatzair war vor 1938 aktiv in mehreren Städten Deutschlands – eine lebendige Bewegung, ein Ort für junge Jüdinnen und Juden, die lernen und diskutieren wollten, sich träumen trauten.
Heute – Jahrzehnte später – wächst unsere Bewegung wieder. In Berlin, in Deutschland. Wir feiern dreizehn Jahre Wiederkehr. Aber das reicht uns nicht. Unser Ziel ist nicht nur, wieder da zu sein. Wir wollen sichtbar sein, hörbar, wirksam. Wir wollen uns einbringen, an gesellschaftlichen Diskursen beteiligt sein und unsere Arbeit weiterentwickeln.
Viele sprechen davon, dass die Zeitzeug*innen-Generation stirbt. Das ist wahr. Aber wir stehen nicht hier, um sie zu ersetzen. Wir sind eine Jugendbewegung, die nicht nur in die Vergangenheit, sondern vor allem nach Vorne blickt– und das heißt: Wir handeln. Wir lernen. Wir träumen.
Unsere Mitglieder damals waren Teil des jüdischen Widerstands – und dieser Widerstand war vielfältig. Er war nicht nur Protest und Flucht, sondern auch: Bildung. Begegnung. Die bewusste Entscheidung, sich nicht entmenschlichen zu lassen. Sich Räume zu schaffen, in denen weitergedacht werden durfte. Weitergeträumt.
Denn auch im Angesicht des Grauens fragten sie sich: Wo wollen wir leben? Wie kann eine gerechtere Gesellschaft aussehen? Sie träumten von einer Welt, die für alle besser sein sollte. Ihr Widerstand war nicht nur gegen etwas – er war für etwas.
Und auch heute sehen wir, dass unsere Arbeit bitter nötig ist. Wieder erleben wir, dass Hass laut wird. Wieder stehen wir vor einem Rechtsruck, der jüdisches Leben und das anderer nicht in die Norm passenden Menschengruppen bedroht. Wieder erleben wir, dass unsere Räume in Frage gestellt werden – durch Boykotte, durch Hetze, durch Angst.
Gerade heute wollen wir Hoffnung statt Verzweiflung vermitteln. Man könnte auf die Bühne gehen und traurig sein über den Zustand der Welt, des linken politischen Spektrums, aber unsere Botschaft lautet: Verzweifelt nicht. Unsere Bewegung hat im Laufe der Zeit viel gelitten, und wir wissen, dass die Antwort auf die Politik der Angst darin besteht, Hoffnung zu verbreiten, sich zu vereinen – und durch Bildung und Reflexion gemeinsam besser zu werden.
Wir bleiben. Wir bauen weiter. Unser „Ken“, unser Nest, ist Zufluchtsort und Lernraum. Es ist Ort des Widerspruchs gegen Unterdrückung – und Ort der Hoffnung. Auch wenn Hoffnung manchmal schwerfällt.
Heute gedenken wir. Und gleichzeitig sagen wir: Erinnerung allein reicht nicht. Sie muss zu Verantwortung werden. Zum Handeln. Zum Aufstehen gegen jede Form von Faschismus, Antisemitismus, Rassismus – hier und jetzt.
Und wir sagen auch: Befreiung ist kein vergangenes Ereignis. Sie ist ein andauernder Prozess. Ein täglicher Kampf. In jeder Schule, in jedem Jugendzentrum, auf jeder Straße.
Wir sind stolz auf unsere Geschichte. Wir sind stolz auf den Widerstand unserer Mitglieder. Und wir sind entschlossen, ihren Traum von einer gerechteren Welt weiterzutragen.
In diesem Sinne:
Lasst uns erinnern – und niemals aufhören, zu träumen.
Lasst uns erinnern – und niemals aufhören, zu kämpfen.
Chazak Veematz – seid stark und mutig.“
Kategorie: news